Wenn es ums autonome Fahren geht, sieht Fachexperte und Automobilingenieur Bernhard Gerster ein Spannungsfeld zwischen Marketing und Technik, wie er am Mobility-Forum klarstellte.

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Das autonome Fahren kennt verschiedene Automatisierungs-Niveaus (1 bis 5, von teilautonom bis vollständig autonom): Bis und mit Level 2 bleibt dabei stets der Fahrer in der Verantwortung. Aktuell laufen Diskussionen, um mit einer Revison des Strassenverkehrsgesetzes die Fragen bis und mit Stufe 4 zu regeln, so dass der Mensch am Lenkrad grundsätzlich gar nicht mehr einschreiten muss.

Wie Bernhard Gerster den anwesenden Besucherinnen und Besuchern des Mobility-Forums an der transport-CH/aftermarket-CH vor Augen führte, gibt es heutzutage Entwickler, die betonen, man habe «die Programmierung nicht mehr im Griff». Die Forderung: «Wir müssen uns eher zurückentwickeln.»

Dem autonomen Fahren wird trotzdem seit einem Jahrzehnt immer eine höhere Marktreife prophezeit, «getrieben durch das Marketing», wie Gerster klarstellte. Für ihn ist klar: Ein wichtigen Treiber der Hoffnungen ist im Potenzial selbstfahrender Fahrzeuge, die Mobilität von Menschen mit Einschränkungen und Gebrechen zu erhalten, begründet.

Doch was kann die Technik heute effektiv bereits? Als Realitätscheck zeigte Bernhard Gerster den Teilnehmenden des Mobility-Forums ein Versuchsfahrzeug für autonomes Fahren Level 4, welches fünf Kühlsysteme hat – vier davon für die verbauten Computer. Alleine an diesem Beispiel zeigt sich schon, dass autonomes Fahren auch Energiefragen mit sich bringt.

Was die Technik anbelangt, ist heute eigentlich vieles bereits möglich: So können Situationen mit wenig Entscheidungen pro Zeiteinheit dargestellt werden. Will heissen: Langsam fahrend oder mit höheren Tempi in einfacher Umgebung (sprich die Autobahn) ist möglich.

Die grosse Herausforderung sei aktuell die Sensorfusion. «Eine detaillierte und differenzierte Objekterfassung ist heute kaum möglich, geschweige denn die Interpretation von Absichten». Die menschliche Intuition, die blitzschnell zwischen «problematischen» und anderen Objekten in und neben der Strasse unterscheiden könne, gehe der Technik noch ab.

Zahlreiche offene Fragen beziehen sich laut Gerster auf den Faktor Zeit. Wie steht es zum Beispiel mit der Software nach Produktionsende oder mit der Alterung der Sensoren? Andere Probleme ergeben sich bezüglich der digitalen Sicherheit in Bezug auf Hackerangriffe.

Gerster hielt deshalb eher ernüchternd fest: «Bei der Einführung neuer Automatisierungsstufen wird es zuerst mehr Unfälle geben, aufgrund von neuen Fehlerquellen. Dazu kommt bei Stufe 3 die Problematik des Menschen als Überwacher.» Dafür sei der Mensch nicht gemacht. Für Bernhard Gerster ist klar, dass noch für einige Zeit die passive Sicherheit der Fahrzeuge nicht reduziert werden darf. Seine Prognose: «Es wird eine Entwicklung in kleinen Schritten geben, eine disruptive Revolution hält er für unwahrscheinlich.»

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