Nicht alle in der Mobilitätsbranche singen das Lied der Elektromobilität inbrünstig mit. Stellantis-CEO Carlos Tavares sieht negative Folgen für die Produktion in Europa und den Mittelstand, Motorrad-Bauer Stefan Pierer kritisiert «wissenschaftlich ungebildete Politiker».

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Die Industrie habe sich längst für die E-Mobilität entschieden, heisst es heute in Diskussionen rund um die Antriebstechnik der Zukunft. Doch nun schert nach BMW ein weiterer Hersteller aus der Herde aus: Stellantis-Chef Carlos Tavares (Bild), zu dessen Konzern unter anderem die Marken Chrysler, Fiat, Opel und Peugeot gehören, stellt in einem Interview mit vier Tageszeitungen klar, dass die Entscheidung für die Elektromobilität politisch sei.

«Es gab billigere und schnellere Methoden zur Reduzierung von Emissionen», sagt Tavares. Er verweist auf Hybridautos, die «erschwinglich bleiben und einen sofortigen CO2-Vorteil bringen». Beim europäischen Energiemix, so der Manager müsse ein Elektroauto 70’000 Kilometer fahren, um den CO2-Fussabdruck der Batterieherstellung auszugleichen. Ausserdem seien Elektroantriebe 50 Prozent teurer als Verbrenner – und deshalb könne sich die Mittelschicht auf lange Sicht keine neuen Autos mehr leisten. «Das wird soziale Folgen haben», so Tavares.

«Stromer» nicht zwingend teurer

In der Schweiz allerdings ist der Energiemix CO2-ärmer, entsprechend günstiger fällt für hiesige Kunden ihre Umwelt-Bilanz aus. Jedenfalls so lange, wie nicht auf Kohlestrom aus Deutschland ausgewichen werden muss. Und nicht ganz ersichtlich ist der Verweis des Stellantis-CEO bezüglich Anschaffungskosten. Stellt man als zufällig ausgewähltes Beispiel die beiden Skoda-SUV Kodiaq (Benziner) und Enyaq (Elektro) in ihrer starken 4x4-Version gegenüber, die in Raumangebot wie Motorperformance vergleichbar sind, ist der Benziner sogar leicht teurer (ca. 58'000 vs. 56'000 Franken). Nicht unwahrscheinlich allerdings, dass beim Benziner die CO2-Strafe eingepreist sind respektive der Stromer in der Kalkulation von der politisch gewollten Bevorzugung der Emissionsfreiheit profitiert. Bei Kleinwagen sieht der Vergleich derzeit noch ungünstiger für E-Autos aus, was durch günstigere Energiekosten (Strom vs. Benzin) nur teilweise ausgeglichen wird.

Tavares jedenfalls scheint überzeugt, dass in Europa künftig viel weniger Autos verkauft werden, und gebaut werden sie wohl auch nicht mehr hier: «Die politisch erzwungenen, für die Umwelt nutzlosen Umwälzungen, könnten dazu führen, dass die europäische Automobilindustrie irreparabel geschädigt werde,» mahnt der Konzernchef. Er sieht düstere Zeiten aufziehen: «Wir werden in ein paar Jahren sehen, welche Hersteller überleben und welche nicht.» Die Zukunft der europäischen Standorte, hänge «auch von den politischen Rahmenbedingungen (...) und deren Folgen für den Automobilmarkt ab» – ein kaum verbrämter Hinweis auf kommende Werksschliessungen.

500 kg Batterie für Renndistanz…

In dasselbe Horn stösst der Österreicher Stefan. Der Unternehmer gehört zu den reichsten Männern Österreichs, er führt den Zweirad-Konzern KTM und präsidiert die Europäische Vereinigung der Motorradhersteller (ACEM). In einem Interview mit der Motorsport-Webseite Speedweek räumt Stefan Pierer die Lesart, nachdem die Industrie diesen Wandel gewünscht habe, unmissverständlich ab: «Elektromobilität ist ein Schwachsinn, der von wissenschaftlich ungebildeten Politikern gepusht wird. Ein auferlegter Schwachsinn.» Pierer erläutert am Beispiel des Rennsports, warum: «Für ein Moto-GP-Motorrad, das heute mit 20 Litern Treibstoff eine Renndistanz fährt, würde man eine 500 Kilogramm schwere Batterie brauchen, um eine vergleichbare Leistung und Reichweite zu erreichen.»

Die von den elektrischen Rennmotorrädern in der Moto-E-Serie benötigte Energie entstamme übrigens Diesel-Generatoren, die im Paddock stehen, verrät Pierer. Und er verweist auf die kostbaren Rohstoffe, die für die Herstellung von E-Mobilen benötigt werden.

Der KTM-Chef stellt jedoch nicht nur die Nachhaltigkeit der E-Mobilität in Frage, er zeigt auch einen anderen Weg auf: «Der synthetische Kraftstoff ist die Lösung, nicht der Elektroantrieb. Denn dieser Kraftstoff ist CO2-frei.» Was man vom europäischen Stromnetz nicht behaupten könne.

Grosse Töff bleiben bei Verbrennungsmotoren

Die Motorradindustrie jedenfalls habe sich auf diesen Weg verständigt: Während die Zweitakter bei den kleinen Rollern, Mopeds und Mofas verschwänden, blieben die Motorräder ab 11 kW/15 PS beim Verbrenner. Denn die können mit CO2-neutralen E-Fuels betrieben werden: «Da gibt es ganz klare Entwicklungspläne zwischen den Herstellern», so Pierer. Man habe «im Gegensatz zur Automobilindustrie global eine klare Vorstellung davon, wo die Reise hingeht».

So lässt Pierers Resümee an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: «Wir können noch ewig mit Verbrennern fahren.» Dabei weiss der KTM-Chef durchaus, wovon er spricht, bietet sein Unternehmen doch selbst zwei E-Geländemotorräder und elektrisch angetriebene Minicrosser für den Nachwuchs an.

Kommentare
Rolf Hürlimann

Ziemlich viel Blödsinn von zwei Interessenvertretern. Mobilität per Elektrizität ist erheblich effizienter als mit Energie aus Verbrennung. Für die grossmehrheitliche tägliche Fahrdistanz von 30-100 km braucht es nicht 500 kg Batterie. Und synthetische Kraftstoffe mit Energie aus Kohlenstrom sind keineswegs CO2-frei. Sie werden aber wichtig sein für Autos für weite Distanzen, für Flugzeuge ua. Entscheidend für das Klima wird deshalb die Energiewende sein, in erster Linie mit Sonne und Wind. Mit solchen Managern wären wir weitere 100 Jahre von Öl- und Gasstaaten abhängig.

Martin Sinzig

Erfreulich, dass solche Stimmen laut werden. Wenn ich jetzt sehe, was Audi, Mercedes oder GM und andere an Gewichtsmonstern auf den Markt werfen, kommt mir das Grausen. SUV oder Pickups mit 2,5 bis zu vier Tonnen Leergewicht, macht das wirklich Sinn? Mehr Reifen- und Strassenbelagsverschleiss, grösser dimenstionierte Fahrwerksteile etc., das ist Verhältnisblödsinn, nur weil Elektro jetzt die eierlegende Wollmilchsau sein soll. Ich plädiere dafür, für jedes Einsatzprofil die beste, effizienteste Antriebstechnologie zu wählen. Bleiben wir technologieoffen und nutzen wir unseren Entwicklergeist, um Tolles zu schaffen statt der Elektroantriebsreligion zu folgen.

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