Diesen Sommer kommt das erste «Auto» von Rivian in den Verkauf. Es ist, ideal für die USA, ein elektrischer Pickup. Mit Investoren-Milliarden im Tresor, einer Partnerschaft mit Ford und Amazon als Kunden stehen die Vorzeichen für den nächsten US Elektro-Pionier gut.

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Neulinge haben es schwer, hiess es einst. Heute scheint es hingegen von Vorteil, ein Start-up zu sein. Voll mit Visionen und frei von gewachsenen Strukturen. Ein halbes Jahr, bevor – gemäss Plan – das erste Elektroauto von Rivian verkauft wird, sehen Finanzspezialisten bereits einen Unternehmenswert von 27 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: eine etablierte Grösse wie Ford liegt derzeit bei 45 Milliarden.

So richtig ist Rivian ja auch kein Start-up mehr, geht vielmehr in sein zwölftes Jahr. Seit der Gründung 2009 hat die Firma für ihre Elektromobile fest die grössten Segmente des US-Marktes im Auge, die Pickup Trucks und die SUV mit zusammen drei Viertel Marktanteil. Diesen Sommer soll es nun soweit sein, der Pickup (R1T) wird etwas früher lanciert, der wuchtige, siebensitzige SUV (R1S) etwas später.

Rivian: 20'000 Pick-ups und SUVs im ersten Jahr

Dabei ist schnelles Wachstum nicht oberstes Ziel. Man hat bei Tesla beobachtet, wie hoch die logistischen Herausforderungen sein können, wenn die Produktion (zu) schnell hochgefahren wird. Vor einem Jahr, bevor die Pandemie zuschlug, sagte das Unternehmen, es wolle 20’000 Pickups und SUVs im Jahr 2021 und etwa 40’000 im Jahr 2022 herstellen. Einen aktualisierten Ausblick hat das Unternehmen noch nicht gegeben. Bis zur Mitte des Jahrzehnts soll das Werk in Normal, Illinois, eine Produktionskapazität von 250’000 Fahrzeugen pro Jahr haben. Rivian hat nicht bekannt gegeben, wie viele Aufträge es bereits erhalten hat, aber eine Sprecherin sagte, dass es Kunden für alle Fahrzeuge hat, die es in diesem Jahr voraussichtlich herstellen wird.

Bereits bei einem Kunden im Einsatz ist ein weiteres Fahrzeug von Rivian, ein elektrisch angetriebener Lieferwagen mit einer Reichweite von bis zu 240 km. Seit Januar rollen die ersten Exemplare auf besonders definierten Strecken in Los Angeles und bringen Ware des Internet-Giganten Amazon zu den Kunden. 2019 haben die beiden Firmen eine Absichtserklärung unterschrieben, welche die Lieferung von bis zu 100'000 Rivian-Lieferwagen beinhaltet.

Amazon ist aber nicht nur Kunde von Rivian, sondern auch Teilhaber. Und Amazon steht mit seinem Investment nicht alleine. Zu den weiteren Geldgebern gehören BlackRock, Fidelity, T. Rowe Price und Ford Motor. Letztere planen ein auf Rivians Technologie basierendes Fahrzeug einzuführen.

Im Januar teilte Rivian mit, es habe 2,65 Milliarden Dollar von einer Gruppe erhalten. Die Investitionsrunde bewertet das Unternehmen mit mehr als 27 Mrd. $ und bringt die Gesamtinvestitionen in das Unternehmen seit Anfang 2019 auf 8 Mrd. $.

Rivian hat gewichtige Investoren

Auch Tesla hat stets erfolgreich neue Gelder gefunden, um seine Expansion zu finanzieren. Vieles unterscheidet aber die beiden Elektro-Marken, nicht nur ihre Bekanntheit. So hat es RJ Scaringe, Gründer und CEO von Rivian, überhaupt nicht eilig, sein Unternehmen an die Börse zu bringen, während es Tesla-Besitzer Elon Musk über die Börsenkapitalisierung längst zu einem der reichsten Menschen auf Erden gebracht hat.

Gänzlich unterschiedlich ist auch die Persönlichkeit der beiden Unternehmenslenker. Musk ist der geborene Disruptor, Provokateur mit Hang zum grossen Auftritt. RJ Scaringe hingegen ist ein belesener Ingenieur mit einem Doktortitel vom Massachusetts Institute of Technology. Er hat einmal versucht, seinen persönlichen Kohlenstoff-Fußabdruck am M.I.T. zu verkleinern, indem er zu Fuss und mit dem Fahrrad unterwegs war, kalt duschte und seine Wäsche von Hand wusch. Sein Twitter-Feed ist so zahm, dass es in einem der letzten Posts um die Autofarbvorlieben seiner Kinder ging (blau).

Noch gibt es für Rivian extrem viel zu tun. Derzeit entstehen in der Fabrik Vorserienfahrzeuge in kleiner Zahl. Die Fabrikanlage in Normal, Illinois, eine Autostunde von Chicago entfernt, hat Rivian für 16 Mio. Dollar günstig von Mitsubishi übernommen, inzwischen aber für rund eine Milliarde aufgepeppt. Bis das Mosaik einer modernen Autofertigung mit komplexer Logistik richtig Tritt fasst, werden die Fertigungsspezialisten noch tausend Probleme zu lösen haben.

Rivian: Die besten Chancen auf dem Markt für Elektroautos

Michael Ramsey, ein Gartner-Analyst, sagte, er sei gespannt, ob Rivian die Fehler vermeiden könne, die Tesla vor ein paar Jahren lähmten, als Elon Musk die Produktion der Model-3-Limousine überstürzt hochfuhr, nur um in der, wie er es nannte, «Fertigungshölle» zu landen.

«Wird Rivian in Zukunft ein echter Konkurrent für Ford und GM sein? Ich weiß es nicht. Aber sie haben all diese Mega-Investitionen. Sie haben einen strategischen Partner in Ford. Sie haben Verträge mit Amazon. Von allen EV-Start-ups scheinen sie die besten Chancen zu haben, es zu schaffen.»

 

Quellen: https://www.nytimes.com/2021/01/19/business/rivian-tesla-electric-cars.html?searchResultPosition=1 sowie https://www.theverge.com/2021/2/3/22264174/amazon-rivian-electric-delivery-van-la-test-cities

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