Verbrennungsmotoren mit (fast) CO2-freiem Treibstoff füttern, anstatt den ganzen Antrieb ersetzen. Könnten E-Fuels vielleicht doch einen wichtigen Teil zur Entkarbonisierung des Strassenverkehrs beitragen?

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Der Gedanke ist plausibel und bestechend: Anstatt neue Antriebskonzepte zu entwickeln und die ganze Autoflotte der Welt auszutauschen, um mit batterieelektrischen Autos das Klima zu retten, könnte man einfach den Treibstoff entkarbonisieren. Tankt man an der Zapfsäule CO2-freien Treibstoff, könnte man seinen V8 ohne schlechtes Gewissen auf die nächste Tour schicken.

Dieses Konzept ist nicht pure Fiktion, es wird in der Form von synthetischen Treibstoffen (E-Fuels) seit einiger Zeit erforscht und diskutiert. In der Schweizer Politik spielten sie sowohl vor wie nach der Abstimmung über das CO2-Gesetz eine Nebenrolle, einfach als Hinweis darauf, dass die derzeit laufende Umstellung auf batterieelektrische Fahrzeuge nicht der allein selig machende Weg sein muss.

Diesen Gedanken verfolgt man selbst im Volkswagen-Konzern, der unter der Leitung von Herbert Diess weitgehend auf eine Karte setzt, eben auf Batterie-Autos. Doch schon im nächsten Jahr soll in einer gemeinsamen Anlage von Porsche und Siemens Energy die Produktion synthetischer Treibstoffe anlaufen – vom deutschen Steuerzahler mit 8 Mio. Euro unterstützt.

Wasserstoffherstellung mit Windstrom

Der Standort der weltweit ersten Anlage ihrer Art: der Süden von Chile. Dort bläst der Wind stark und nahezu unablässig, hier ist das Potential für «überschüssigen» Windstrom hoch. Den braucht es, um in einem ersten Schritt aus Wasser Wasserstoff und aus diesem in einem zweiten Schritt mit CO2 aus der Umgebungsluft synthetisches Methanol herzustellen, ein Zwischenprodukt auf dem Weg zum E-Fuel.

130'000 Liter synthetischer Treibstoff soll kommendes Jahr produziert werden. 2024 werden 55 Mio. Liter angepeilt, 2026 das Zehnfache davon. Das plakative Ziel von Porsche: Ab 2024 sollte die Produktionskapazität reichen, um alle weltweit neu verkauften 911er mit dem annähernd CO2-neutralem E-Fuel aus Südamerika zu betanken.

Das Beispiel ist sicher nicht zufällig gewählt. Wenn es im Konzern ein Auto gibt, das man sich eigentlich nur mit Verbrennungsmotor vorstellen kann, dann ist es der Porsche 911. «Wir glauben weiter an den Dreiklang aus klassischen Verbrennern, Plug-in-Hybriden und reinen Elektroautos wie dem Taycan», sagt denn auch Entwicklungsvorstand Michael Steiner.

Verbrennungsmotor retten?

Der Porsche-Manager setzt hier um, was liberal gesinnte Experten und Politiker fordern: Technologie-Offenheit beim Umbau der Energiewirtschaft. Doch kann, was für einen Sportwagenhersteller Sinn macht, auch auf breiter Front den Verbrennungsmotor in die Zukunft retten?

Jedenfalls sind es nicht nur «Verbrenner»-Freaks, die in diese Richtung denken. So produziert man an der ETH Zürich in einem Pilotprojekt E-Fuel in Gasform, im Prototyp mitten in Zürich rund einen Deziliter pro Tag. Die Sonne liefert über Parabolspiegel die Hitze, die für drei hintereinander geschaltete thermochemische Prozesse benötigt werden.

Aus der Forschung ist als Spinoff das Unternehmen Synhelion entstanden, das mit einer grossen Anlage in Deutschland und einer noch grösseren in Spanien synthetischen Treibstoff in grösseren Mengen herstellen wird. «Wir glauben, dass flüssige Solartreibstoffe ein wichtiges Element in der Energiewende sind», sagt Gianluca Ambrosetti, der CEO von Synhelion. In der Tat kann kein anderer Energieträger auch nur ansatzweise mit flüssigen Treibstoffen mithalten, wenn es um die Energiedichte, aber auch um die Langzeit-Speicherung geht. «Hinzu kommt, dass unsere Solartreibstoffe eine Drop-​in-Technologie sind, für die keine zusätzliche Infrastruktur aufgebaut werden muss», sagt Ambrosetti. «Unsere Kraftstoffe können in den bereits bestehenden Raffinerien aufbereitet und über das vorhandene Tankstellen-​Netz verteilt werden.» Anzufügen wäre, dass E-Fuels so designt werden können, dass sie ausgesprochen emissionsarm verbrennen.

Treibstoff statt Motor ersetzen

Man geniesst also die Energiedichte (sprich Reichweite), die relativ leichte Transportierbarkeit und die fixe Betankung in der bestehenden Infrastruktur, aber ohne die zusätzliche Freisetzung von CO2, wie dies bei fossilen Energieträgern der Fall ist – deren Kohlendioxid schon vor Jahrmillionen gebunden wurde.

Dies hätte einen weiteren massiven Vorteil angesichts des Zeitdrucks in der Bekämpfung der Klimaveränderung: Mit E-Fuel liesse sich der gesamte bestehende, auf Verbrennungsmotoren basierende Fuhrpark auf einen Schlag dekarbonisieren, statt im normalen Erneuerungszyklus darauf zu warten, dass batterieelektrische Fahrzeuge eine kritische Menge erreichen.

E-Fuels: Killerkriterium Wirkungsgrad

Allerdings dürfte es ähnlich lange dauern, E-Fuels in global nennenswerten Mengen herzustellen wie die Erneuerung unserer Fahrzeugflotten. Und der zweite, längerfristig wohl entscheidende Haken sind die grossen Energiemengen, welche für die Herstellung der E-Fuels erforderlich sind. Der Wirkungsgrad wird heute mit etwa 15 Prozent beziffert. Was unter dem Strich bedeutet: Man kombiniert einen ineffizient hergestellten Energieträger (E-Fuel) mit einem Antrieb (Verbrennungsmotor), der in Sachen Effizienz ebenfalls um Längen hinter dem «best in class», dem Elektromotor zurückliegt.

Die Folge davon schildert Martin Bolliger, Leiter Mobilitätsberatung beim TCS: «Für den Betrieb eines Elektroautos mit einer durchschnittlichen Kilometerleistung dürften etwa 5 m2 Solarzellen auf Ihrem Dach genügen. Mit Verbrennungsmotor und synthetischem Treibstoff benötigen Sie das ganze Dach plus noch die Dächer von neun Nachbarn.»

Dies alles soll nicht bedeuten, dass E-Fuels in Zukunft überhaupt keine Rolle spielen werden. Der Flugverkehr auf längeren Strecken beispielsweise dürfte sich nur so dekarbonisieren lassen. So wird der Flughafen Zürich dem Startup Synhelion beim Marktstart 2023 die gesamte Produktion abkaufen.

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