Der Non-Profit Verein Cardossier, dem verschiedene Hochschulen, Behörden, Verbände und Firmen angehören, hat sich zum Ziel gesetzt, mittels der Blockchain-Technologie gemeinsam eine Plattform für eine sichere, unverfälschte Fahrzeug-Historie zu entwickeln. Die erfassten Daten sollen einem beschränkten zertifizierten Nutzerkreis, vorerst Firmen und Institutionen, im Laufe des 2020 auch Privatpersonen, zur Verfügung stehen. Das Cardossier wird über den Occasionsmarkt hinaus vielfältige weitere Anwendungsmöglichkeiten bieten.

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Das Projekt «Cardossier» wurde im Herbst 2017 vom Softwareentwickler AdNovum, der AXA-Versicherung, der Uni Zürich, der Hochschule Luzern, der Amag, Mobility und dem Strassenverkehrsamt Aargau lanciert. Unterstützt wird das Projekt zudem seitens der Eidgenossenschaft über die Innosuisse. Das Projekt wurde im März 2019 mit der Vereinsgründung in eine rechtliche Form gegossen.

Worum geht es?

Die ursprüngliche Idee basierte auf der Erfahrung, dass es im Occasionsmarkt oft schwierig bis unmöglich ist, schlechte «Zitronen» (hergeleitet vom amerikanischen Begriff «lemon» für faule Occasionen) von guten Gebrauchtwagen zu unterscheiden. Mit dem lückenlosen, unveränderbaren Erfassen der Fahrzeuggeschichte soll nun im Occasionshandel ein hoher Vertrauensgrad erreicht werden. Die Blockchain-Technologie stellt sicher, dass einmal erfasste Einträge von Ereignissen (z.B. Service, Fahrzeugprüfung, Reparaturen, Schadenfälle etc.) nicht mehr geändert werden können. Es entsteht für jedes Fahrzeug ein unverwechselbares Logbuch.

Vereinsmitglieder wirken bei Entwicklung mit

Die Mitgliederbasis des Vereins ist in der Zwischenzeit erheblich erweitert worden. Die Entwicklung des Cardossiers ist immer noch im Fluss und richtet sich unter anderem auch nach den Bedürfnissen der Mitglieder. Wer sich also jetzt zur Mitgliedschaft entschliesst, kann darauf hinwirken, dass seine aus der Praxis resultierenden Anliegen – wenn möglich – berücksichtigt werden. Die Vereinsmitglieder müssen zur Teilnahme am Netzwerk einen Zertifizierungsprozess durchlaufen, damit sichergestellt ist, dass nur berechtigte Nutzer Zugang finden.

Die Daten bleiben beim berechtigten Nutzer

Der Verein selber besitzt keine Daten. Er stellt einzig die Plattform zur Verfügung. Die Fahrzeugdaten werden in verteilten Datenbanken gespeichert und stehen – im Unterschied zum Internet – jeweils nur limitierten, vom Datenbesitzer definierten Nutzerkreisen zur Verfügung. Personendaten werden separiert und verschlüsselt abgelegt. Damit wird der Datenschutz gewährleistet, ebenso die Datensicherheit.

An einem praktischen Beispiel beim Kauf eines Gebrauchtwagens lässt sich das illustrieren: Ein(e) potentielle(r) Käufer(in) interessiert sich für ein bestimmtes Fahrzeug und trägt sein/ihr Anliegen dem Occasionshändler/Verkäufer vor. Dieser ist im Besitz des Cardossiers und gibt dieses nun für diesen einen konkreten Fall zur Einsicht frei. Damit kann der Kauf in voller Kenntnis über den Fahrzeugzustand abgewickelt werden.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Die von den Projektinitianten ins Auge gefassten potentiellen Mitglieder umfassen unter anderen Fahrzeughersteller, Zulieferer, Versicherungen, Importeure, Garagisten, Occasionshändler und entsprechende Internetportale, Fahrzeuggutachter, Strassenverkehrsämter, Zollbehörden, Flottenverantwortliche, Privatpersonen als Käufer und Verkäufer, Leasingunternehmen, Abwrackbetriebe. Jeder dieser Interessenten kann in seinem Bereich einen massgeschneiderten Nutzen ziehen. So verlautet aus einem Strassenverkehrsamt, dass rund 30 Prozent der eingereichten Versicherungsnachweise fehlerhaft seien und an die Versicherungen zurückgeschickt werden müssen. Das verursacht unnötigen Mehraufwand auf beiden Seiten, ganz abgesehen vom Zeitverlust für den Fahrzeughalter. Mit dem Cardossier hingegen sind alle Daten korrekt registriert und unmittelbar verwendbar.

Wie wird das Ganze finanziert?

Im Moment tragen die Vereinsmitglieder mit ihren Beiträgen die Kosten für die technische Entwicklung der Plattform. Das Ziel ist es jedoch, dass auf der Plattform ein Datenmarkt entsteht – denn: Daten haben einen Wert.  Wenn durch den Bezug korrekter Daten Prozesse verbessert, verschlankt und damit Kosten gespart werden können, sind viele Firmen bereit, dafür etwas zu bezahlen. Sollte der Datenmarkt gross genug werden, könnte mittelfristig ein Teil der Kosten der Plattform über eine Abgabe auf dem Datenmarkt finanziert werden. Die zertifizierten «Datenfütterer» sind indessen verpflichtet, wahrheitsgetreue Einträge vorzunehmen. Es ist aber auch geplant, dass Datenfütterer beim Verkauf eines Dossiers vom Umsatz einen Anteil bekommen. Wie das Ganze ausgestaltet werden soll, ist aber noch offen und wird in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedern festgelegt. Mit der Teilnahme erwerben die Mitglieder einen Wettbewerbsvorteil in einem hart umkämpften Markt, weil sie eine solide Vertrauensbasis mit ihren Kunden und Partnern aufbauen. Im Moment ist das Cardossier auf den Markt Schweiz ausgelegt, auch wegen der regulierten Prozesse, die länderspezifisch sind. Es wird aber zukünftig möglich sein, auch Teilnehmer aus dem Ausland anzuschliessen (z.B. Hersteller) oder mit anderen Blockchain-Ökosystemen zu interagieren.

Grosse Chance für die Schweiz

Der Verein erachtet das Projekt als grosse Chance für die Schweiz, eine Pionierrolle zu spielen. Das Blockchain-Konsortium von BMW, Renault und Ford hat im Sommer bekannt gegeben, einen Standard zur Identifikation von Fahrzeugen entwickelt zu haben, die zunächst nur auf dem Fahrzeug nach dem Verlassen der Werkshallen basiert (vgl. Artikel ). Das Schweizer Projekt ist durch den grossen Kreis der Beteiligten bereits einen wesentlichen Schritt weiter. Gemäss Franziska Füglistaler, die sich im Mandat für die Erweiterung der Mitgliederzahl engagiert, hat die Schweiz dank ihrer Kleinräumigkeit eine grosse Chance, mit dem gesamtheitlichen, branchenübergreifenden Ansatz alle im Fahrzeugbereich Tätigen zur Zusammenarbeit zu gewinnen und das Cardossier zu einem Instrument mit Modellcharakter zu entwickeln.

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