Der «Take off» in der Entwicklung der Mobilität und der folgende globale Siegeszug von Autos und Nutzfahrzeugen ab 1910/20 haben enorme Vorteile für die Menschheit gebracht. Sie haben zum steigenden Wohlstand beigetragen. Sie haben aber auch immer wieder Kosten verursacht und Konsequenzen gezeitigt, die zu Diskussionen geführt haben und führen. Das Beratungsunternehmen McKinsey & Company beleuchtet in einer Studie auch die Schattenseiten der Mobilität, weil diese immer Basis für die weitere Entwicklung waren und Rückschlüsse auf Trends zulassen.

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Als 1896 ein Richter in London im Falle des ersten weltweit aktenkundigen Todesopfers eines Auto-Unfalls richten musste, ahnte er wohl nicht, was die Menschheit erwarten würde: Jedenfalls schloss er sein Urteil mit der Hoffnung, nie mehr einen solchen Fall beurteilen zu müssen …

Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Die negativste Konsequenz der Mobilität ist – neben den Emissionen wie Lärm und Abgasen – zweifellos, dass es Unfälle gibt. Und damit auch Todesopfer und Verletzte, wenngleich die Fahrzeughersteller immer mehr unternehmen, um die Verkehrssicherheit noch besser gewährleisten zu können und es dabei zweifellos – wie bei den stetig abnehmenden Umweltbelastungen – massivste Fortschritte gibt. Dennoch: Mehr als eine Million Menschen sterben weltweit jährlich auf den Strassen. Verletzungen aus dem Strassenverkehr sind eine führende Ursache der Todesopfer bei den Unter-Dreissigjährigen – weltweit.

Infrastruktur ist an ihre Grenzen gelangt

Doch es gibt noch andere negative Folgen der wachsenden Mobilität: Die Verkehrszunahme bei kaum weiter entwickelter Infrastruktur führt (überall) zu vermehrten Staus, die auch volkswirtschaftlich spürbaren Schaden verursachen, durch Zeitverluste, unnützen Treibstoffverbrauch und wachsenden Betriebsaufwand. Der Verlust wird vielerorts auf zwischen 2 und 5 Prozent des Bruttosozialprodukts geschätzt.

Ganz abgesehen von den finanziellen Auswirkungen gehen verlängerte Arbeitswege durch die Staus einher mit geringerer genereller Zufriedenheit, Verärgerung und Angstzuständen, schlechter Fitness, Übergewicht und weiteren Krankheiten.

Die mit dem Verkehrsaufkommen nicht Schritt haltenden Infrastrukturkapazitäten drohen immer weiteren Schaden anzurichten, da die hohe Beanspruchung zu überproportional grösseren Schäden führt. In den USA sollen in den kommenden Jahren deshalb 2 Billionen Dollar zum Aufhalten des Zerfalls beziehungsweise zur Verbesserung der Infrastruktur investiert werden. Auch in Europa werden Grossprojekte immer teurer und stossen vermehrt auf Widerstand oder Ablehnung.

Soziale Auswirkungen zu erwarten

 Die Mobilität droht damit die Gesellschaft zu spalten – und zwar mehrfach: Einerseits jene, die auf die Mobilität direkt angewiesen sind. Andererseits jene, die glauben, ohne Mobilität auszukommen (was bekanntlich ein Trugschluss ist.) Und so spitzt sich alles entlang einer anderen Konfliktlinie zu: Auf der einen Seite jene, die sich umweltfreundlicheres Verhalten noch leisten können und wollen. Und anderseits jene, die die Kosten nicht tragen können oder wollen.

In diesem Spannungsfeld sucht unsere Gesellschaft aktuell den Weg in die Zukunft. Dabei sorgen momentan noch einige Stolpersteine und Probleme dafür, dass dieser Übergang in ein neues Zeitalter der Mobilität rasch vollzogen werden kann. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:

  • Carsharing und App-basierte Taxi- und Fahrdienste (e-hailing) machen benutzerorientierte Mobilität für einen wachsenden Teil der Bevölkerung zwar zugänglicher – vor allem für in der Regel besser ausgebildete, städtische Kreise. Allerdings ist bei einer jährlichen Fahrdistanz von über 5’600 km, was für den überwiegenden Teil der Autobesitzer zutrifft, der Kilometerpreis dieser neuen Dienste (noch) wesentlich höher als beim eigenen Fahrzeug. Und damit werden diese Dienste weniger benutzt. Neue Mobilitätsformen setzen sich so nur langsam durch.
  • Innenstadt-Zufahrtsgebühren und bezahlte Schnellspuren bedeuten, dass letztlich nur noch Bessergestellte die «Freedom Machine» ungehindert benutzen können. Das Parkieren ist in vielen Städten an den Wohnsitz in den betreffenden Quartieren gebunden. Wer sich dessen (teuren) Wohnpreis nicht leisten kann, wird mit einem Parkverbot belegt. Diese Beschränkungen werden verstärkt durch Brücken- und Tunnel-Zölle sowie steigende Preise beim öffentlichen Verkehr, dessen Betriebe Verlusten aufweisen. Auch dies führt verständlicherweise zu Widerständen gegen neue Lenkungsmassnahmen.

Es sind diese Entwicklungen, mit denen der Mobilitätssektor aktuell zu kämpfen hat und die auch die Nutzfahrzeugbranche vor grosse Herausforderungen stellen, weil die zukünftige Entwicklung unklar ist. Zurzeit befinden wir uns – so das Fazit der McKinsey & Company-Zukunftsforscher mitten in einem Übergang. Und doch zeichnet sich die Zukunft weitgehend ab – wenn man den Forschern Glauben schenkt. (Mehr dazu im 3.und 4. Teil zur Studie.)   

 

Hinweis: In vielerlei Hinsicht waren die Geschichte des Automobils respektive des Nutzfahrzeugs und die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein und dasselbe. Es ist die Geschichte des Fortschritts mit all seinen Kompromissen in der Bewältigung von Fehlentwicklungen: niedrigere Transportkosten, mehr Komfort und ein deutlich besseres Verbrauchererlebnis sowie Risiken für die menschliche Sicherheit und schädliche Auswirkungen auf unsere gemeinsame Umwelt. Die sich abzeichnende Entwicklung folgt den gleichen Bahnen. Das Beratungsunternehmen McKinsey & Company hat deshalb einen umfassenden Blick in die Mobilitätsgeschichte geworfen und wagt daraus eine Prognose für die Zukunft. Die Studie fassen wir hier für Sie in 4 Artikeln zusammen. https://www.mckinsey.com/industries/automotive-and-assembly/our-insights/mobilitys-second-great-inflection-point

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