Der US-amerikanische Elektropionier macht es mal wieder anders als der Rest: Während die Mehrzahl der Autobauer für ihre Assistenzsysteme zunehmend auf Sensorfusion setzt, verzichtet Tesla auf Radar und hofft, dass die Kameras alles sehen, was nötig ist.

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Jahrelang stapelte Tesla bezüglich der Intelligenz seiner Fahrzeuge ziemlich hoch, nannte seine Assistenzsysteme missverständlich «Autopilot» und eine Option «full self-driving». Entsprechend gross war der Spott, wenn mal etwas schief ging, wenn der Autopilot beispielsweise den Vollmond über einem Highway als Ampel missinterpretierte und den Tesla verlangsamte.

Jetzt baut der Elektropionier seine Sensorik erstaunlicherweise nicht aus, sondern ab. Wie das Unternehmen mitteilte, werden die Mittelklasse Modelle 3 und Y in Europa ab April nicht mehr mit Radar ausgeliefert. Acht Kameras müssen zur Wahrnehmung der Umgebung genügen. Wie schon seit einem Jahr bei diesen Modellen in den USA. Dort wiederum werden neuerdings auch die grossen S und X ohne Radarsensoren verkauft. In Teslas mit Radar wiederum wurden die Sensoren via Software-Update deaktiviert.

Auge und Hirn, wie beim Menschen

Die Erklärung von Tesla-Chef Elon Musk klingt schlüssig: «Das Strassensystem wurde entwickelt für biologische neuronale Netze und Augen, so dass eine Lösung für das selbstfahrende Auto notwendigerweise neuronale Netze aus Silizium und Kameras erfordert.» Fragt sich bloss, ob heute und auf absehbare Zeit Kameras in Kombination mit Software schon so funktionstüchtig sind, wie die Augen des Menschen in Zusammenspiel mit seinem Hirn.

Bei guter Sicht bieten moderne Kameras fraglos genügend Informationen über das Umfeld. Regnet es, blendet die Sonne oder ist es dunkel, braucht es sehr leistungsfähige Software, um das reduzierte Bild noch zuverlässig zu interpretieren, während das Hirn aus Erfahrung hinzudenkt, was seine Augen gerade nicht sehen.

Radar ist witterungsunabhängig

Deshalb ergänzen andere Hersteller die Sicht ihrer Autos mit weiteren Sensoren, primär Radar. Auf fehlendes Licht ist das Echolot ebenso wenig empfindlich wie auf Regen oder Schnee. Zusätzlich kommt als dritte Komponente Lidar hinzu, ein System, das zwar witterungsempfindlich ist, mit kurzer Wellenlänge Objekte aber präziser erfassen kann. Aufgabe der Software ist es dann, die Stärken der unterschiedlichen Sensoren zu kombinieren und zu einem möglichst fehlerfreien Abbild der Umwelt zu fusionieren.

Warum Tesla auf diese Möglichkeiten verzichtet? Einerseits ist es günstiger. Anderseits ist der Verzicht auf Radar auch nur ein vorübergehender. Denn das bislang eingesetzte System basierte auf vergleichsweise alter Technik. So erklärte Teslas KI-Direktor in einer Präsentation, der Radar hätte bei Unterführungen den Freiraum zwischen Asphalt und Decke nicht erkannt. Statt der acht sogenannten virtuellen Kanäle des Tesla-Radars arbeiten modernde Systeme mit mindestens 192 und bieten eine entsprechend höhere Auflösung.

Gut denkbar, dass Tesla dereinst mit einer modernisierten Radar-Variante zurückkehrt. Und es dannzumal als bahnbrechenden Fortschritt anpreist.

 

Quellen: https://www.caranddriver.com/news/a39250157/tesla-no-radar-sensor-model-s-model-x/ sowie https://www.springerprofessional.de/sensorik/automatisiertes-fahren/wie-teslas-verzicht-auf-radar-einzuschaetzen-ist/20091688

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