Die Reaktionen nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Stimmvolk könnten unterschiedlicher nicht ausfallen: Während Politikerinnen und Politiker sich gegenseitig mit Schuldzuweisungen eindecken und ein Mitarbeiter des SP-Zentralsekretariats auf Social Media komplett ausrastet, zeigen sich die Strassenverkehrsverbände hoch erfreut.

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«Fuck. Fuck alle, die Nein zum CO2-Gesetz gestimmt haben. Ihr seid Idioten und elende Egoisten. Fuck alle, die nicht abgestimmt haben. Ihr habt der Erdöl-Lobby zu einem grandiosen Sieg verholfen. Fuck alle, die meinten, mit einem Nein gäbe es ein schärferes Gesetz.»

Mit diesen Worten kommentiert Andreas Weibel, Mitarbeitender des Zentralsekretariates der SP Schweiz, das Abstimmungsergebnis vom Sonntag. Das Schweizervolk hat soeben das CO2-Gesetz mit 51,6 Prozent Nein Stimmen abgelehnt. 21 von 26 Kantonen haben die Vorlage abgelehnt. Nur die Kantone Genf, Neuenburg, Waadt, Basel-Stadt und Zürich haben zugestimmt. Der klare demokratische Entscheid scheint dem jungen Mann offensichtlich nicht zu passen.

Schuldzuweisungen auf der politischen Bühne

Nicht ganz so heftig reagieren die Verlierer im politischen Lager bis weit in die Mitte hinein. Hier ist Wundenlecken angesagt, wobei dabei offensichtlich Schuldzuweisungen helfen sollen. Der Bundesrat, so Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne), habe einen «taktischen Fehler» gemacht, weil er das CO₂-Gesetz gleichzeitig mit den beiden Agrarinitiativen zur Abstimmung gebracht habe. Und Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (Mitte) kritisierte namentlich Umweltministerin Simonetta Sommaruga für deren «verheerende Abstimmungsagenda».

Beim Tages-Anzeiger wird derweil Kritik an der FDP laut: Es sei der Partei nicht gelungen, die Basis vom neuen Gesetz zu überzeugen. Das stimmt zweifellos: 63 Prozent ihrer Wähler haben die Vorlage abgelehnt. Und doch stellt sich die Frage, ob eine Parteibasis nicht das Recht hat, sich eigenständig zu denken und sich gegen den Kurs der Parteiführung zu einer Vorlage zu äussern.

Freude im Lager der Sieger

«Freude herrscht» dagegen bei den Abstimmungssiegern: Die Ablehnung des CO2-Gesetzes nimmt auto-schweiz erfreut zur Kenntnis. Die Vorlage hätte der Automobilbranche nicht viel gebracht – abgesehen von zusätzlichen Kostenbelastungen. Gleichzeitig waren die im Gesetz vorgesehenen CO2-Reduktionsziele für neue Personenwagen und Nutzfahrzeuge ab 2025 respektive 2030 stets unbestritten.

Derweil richtet man den Blick bereits nach vorne: Ein neues Gesetz müsse «nun zwingend eine stärkere Förderung der Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Antriebe sowie Investitionen in die Produktion synthetischer Treibstoffe vorsehen.»

Synthetische Treibstoffe für CO2-Reduktion des bestehenden Fuhrparks

Neben sinkenden CO2-Emissionen bei Neufahrzeugen müsse verstärkt an den bestehenden Fuhrpark gedacht werden, so auto-schweiz weiter. Hier spricht sich auto-schweiz dezidiert für eine Unterstützung der Produktion synthetischer Treibstoffe in der Schweiz aus. «Die Anrechnung an den Flottenausstoss, wie sie im Gesetz vorgesehen war, ist begrüssenswert. Doch die sehr kostenintensive Produktion synthetischer Treibstoffe muss darüber hinaus gefördert werden – und zwar an Produktionsorten in der Schweiz», so Christoph Wolnik weiter. Dies würde die Senkung der Abhängigkeit von Ölimporten aus dem Ausland, die die Befürworter des abgestürzten CO2-Gesetzes während des Abstimmungskampfes vergeblich ins Feld geführt hatten, Schritt für Schritt Realität werden lassen.

Gegen ein missratenes Gesetz und gegen staatliche Bevormundung gewehrt

Der AGVS stellt zudem fest, dass «die Schweizerinnen und Schweizer sich mit diesem Nein keineswegs gegen ernsthafte Bemühungen ausgesprochen haben, den CO2-Ausstoss zu senken. Aber sie haben sich gegen ein missratenes Gesetz und gegen staatliche Bevormundung gewehrt», sagt AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli. Der AGVS hatte sich in einem Wirtschaftskomitee dafür eingesetzt, dass in einer derart wichtigen Frage das Stimmvolk das letzte Wort haben soll und gemeinsam mit verschiedenen Partnerverbänden das Referendum ergriffen.

Der AGVS anerkennt und unterstützt die Bemühungen, klimaschädigende Emissionen auch im Strassenverkehr zu reduzieren. Er verlangt vom Parlament eine neue Vorlage mit weniger Verboten, aber mehr Anreizen. Immer mit dem Ziel, Innovationen in erneuerbare Energien zu fördern. Urs Wernli: «Ich wünsche mir eine technologieoffene Diskussion. Wir fordern neben dem zügigen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auch eine gezielte Unterstützung von privaten Ladestationen. Nur so können wir sicherstellen, dass die neuen Steckerfahrzeuge, die in den nächsten Jahren auf unsere Strassen kommen, auch geladen werden können.» Zudem sollen mit einem neuen CO2-Gesetz auch Tankmöglichkeiten für Wasserstoff oder Investitionen in die Produktion von synthetischen Treibstoffen gefördert werden, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Und wie siehts mit «Mobility» Pricing aus?

Damit zeigen die Gegner des CO2-Gesetzes zweifellos den Weg für die bereits im Raum stehende Neuauflage der Vorlage auf. Politik und Behörden wären dabei gut beraten, wenn sie diese Vorschläge und die Kritik der Automobilbranche und der Strassenverkehrsverbände ernst nehmen würden. Auch in anderen Dossiers wie etwa beim Mobility Pricing, welches seinem Namen bisher kaum gerecht wird und in vielen Städten nur als «Road Pricing» ausgestaltet werden soll. Die Befürworter derartig einseitig auf die Verteuerung der individuellen Mobilität abgestützter Massnahmen dürften wohl kaum durchkommen: «Die Ablehnung des CO2-Gesetzes zeigt deutlich, dass künstliche Kostenaufschläge auf Treibstoffe oder Fahrzeuge von einer Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern nicht akzeptiert werden», fasst auto-schweiz-Mediensprecher Christoph Wolnik den Abstimmungssonntag zusammen. Das gilt zweifellos auch fürs Mobility Pricing, zumal sich einige Befürworter des CO2-Gesetzes (FDP, TCS) jetzt wohl gut überlegen müssen, ob sie nochmals ins falsche Fahrwasser geraten wollen …

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